Zwischenruf

Das Regulierungsmonster Globalbudget

Im Rahmen eines sogenannten Expertengruppenberichts zur Entlastung der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) wurde mit hoher Priorität eine verbindliche Zielvorgabe für das OKP-Ausgaben-Wachstum genannt. Damit sollen der politische Druck und die nötige Verbindlichkeit entstehen, damit die einzelnen Akteure in den jeweiligen Bereichen Einsparungen dort realisieren, wo sie am besten erfolgen sollten.

Ausgaben zu beschränken, ohne zu sagen, was man nicht mehr will, mag politisch populär sein. Es widerspricht aber den Leistungsversprechen in einem Versicherungssystem. Da hilft es nicht, wenn verschiedene Akteure von einer «Schuldenbremse» reden. Die soziale Krankenversicherung hat keine Schulden. Die Versicherten zahlen jedes Jahr alle Kosten über Prämienerhöhungen. Die Ausgaben an das Wirtschaftswachstum zu koppeln, ist zudem kontraproduktiv. Gerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten braucht es oft höhere Ausgaben, z. B. für Rehabilitation oder Psychiatrie.

Ein Globalbudget ist auch mit dem Wechsel vom Kostenerstattungs- zum Sachleistungsprinzip verbunden. Der Versicherer tritt mit seiner Zahlung die Verantwortung für die Finanzierung der Leistungen an ein Gremium ab, das die Mittel verteilt. Der Wechsel zum Sachleistungsprinzip impliziert ebenfalls die Abschaffung der wählbaren Franchisen. Damit ist ein eigentliches Regulierungsmonster verbunden, denn alle Kassen müssen ihre Beiträge an eine neu zu schaffende zentrale Instanz einzahlen. Diese verwaltet das Globalbudget, bezahlt Spitäler, Ärzte etc. nach bestimmten Formeln und macht die Rückabwicklungen nach Jahresabschluss, wenn die Budgetannahmen nicht stimmen.

Mit dem Globalbudget lassen sich kaum Kosten sparen

Völlig unerwähnt geblieben ist im Bericht, dass die «Modell»-Länder Deutschland und Niederlande entweder nicht über ein Globalbudget über das gesamte System verfügen oder damit die Kostenentwicklung nicht einschränken konnten. Denn es hat sich gezeigt: In keinem der beiden Länder ist es gelungen, über an der Wirtschaftsentwicklung orientierte Globalbudgetansätze die Totalausgaben für das Gesundheitswesen am Bruttoinlandprodukt zu reduzieren.

Selbst wenn man ein solches Instrument trotz aller Bedenken dennoch einführen wollte, ist zu fragen, wie der Bund Vorgaben machen will, wenn er in der vom 1. Dezember 2017 stammenden Antwort auf die Interpellation von Nationalrat Christian Lohr zu «Strukturerhaltung, Überversorgung und übermässige Kosten der Krankenversicherung» schreibt: «Der Bundesrat kann aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Zahlen nicht beurteilen, ob der Ausbau im Spitalbereich unangemessen ist.»

Interessant ist die Meinung des Bundesrates, «dass namentlich das Angebot zu begrenzen ist». Er würde sich damit an etwas wagen, das selbst die für die Spitalplanung verantwortlichen Kantone oft nicht schaffen (wollen). Globalbudgets sind zudem zur Angebotsbegrenzung untauglich, denn sie führen in der Regel zum gegenteiligen Effekt: Weil der Leistungserbringer den Preis für seine erbrachten Leistungen erst am Ende der Periode erfährt, wird er die Menge maximieren wollen, um sein angestrebtes Einkommen zu sichern.

Alternative: Den Fokus auf die Qualität legen

Wirtschaftlichkeit kann es in einer OKP ohne Wirksamkeit nicht geben. Daher ist der Qualitätsbegriff zu schärfen. Auf dem Verordnungsweg (Artikel 77 KVV) hätte der Bundesrat dazu seit der Einführung des eidgenössischen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) über 20 Jahre Zeit gehabt.

Der ehemalige Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, Prof. Dr. Jörg F. Debatin, formulierte es so: «If you focus on quality, you will reduce costs. If you focus on costs, you will reduce quality.»

Im Bereich der Rehabilitation beispielsweise könnten durch eine Schärfung des Begriffs unnötige Leistungsausweitungen durch Pseudoanbieter aus den Bereichen Hotellerie, Resorts, Kur und Langzeitpflege verringert bzw. ganz vermieden werden. Gesundheitsökonom Heinz Locher, Mitglied der Expertengruppe Diener, äusserte sich zu einem Projekt auf dem Bürgenstock: «Wenn man schon ein so schönes, neues Resort im eigenen Kanton bekommt, ist es doch eine ‹patriotische Pflicht›, dieses auf die Spitalliste zu nehmen. Diesen Eindruck habe ich bekommen. Das ist Wirtschaftsförderung, Regionalpolitik, wie das häufig passiert. Aber es ist einfach nicht gesetzeskonform. (…) Ein Hotel darf nicht auf eine Spitalliste. Da gibt es ganz klare Bestimmungen. Ein Hotel oder ein Kurhaus ist keine Rehaklinik.»

Unbegreiflicherweise hat es der Bundesrat bisher verpasst, jene klaren Rahmenbedingungen zu erlassen, welche die Kantone zwingen, das Angebot gemeinsam zu koordinieren, dabei die realen Patientenströme zu beachten und eine schweizweite Überversorgung zu verhindern. Hier und bei den Rollenkonflikten der Kantone gehört angesetzt und nicht bei einem Globalbudget.

Willy Oggier

Dr. oec. HSG,
Gesundheitsökonomische Beratungen AG, Küsnacht

In der Rubrik Zwischenruf lässt der VZK jeweils eine Persönlichkeit ausserhalb des Verbands zu Wort kommen. 

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