«MORGENS IN DER REHABILITATION, NACHMITTAGS AM ARBEITSPLATZ»

Die einzelnen kantonalen Gesundheitsdirektionen haben für die Akutkliniken Listen von invasiven Eingriffen erstellt, welche seit dem 1. Januar 2018 primär ambulant durchgeführt werden müssen. Für diese Operationen gibt es nur wenige Indikationen, welche zu einer stationären Rehabilitation führen können. Bei Patientinnen und Patienten, welche sich diesen Operationen unterziehen müssen, war auch in der Vergangenheit kaum je eine stationäre Rehabilitation nötig.

Können sich die Rehabilitationsanbieter dem Trend «ambulant vor stationär» entziehen?

Betrifft dies nur Patientinnen und Patienten mit leichten Erkrankungen ohne Rehabilitationsbedarf? Mitnichten. «Am Morgen zur Rehabilitation, am Nachmittag zur Arbeit.» Diese Forderung steht bei Betroffenen und Kostenträgern zu Recht im Raum. Eine ambulante wohnorts- beziehungsweise arbeitsplatznahe Rehabilitation kann den Behandlungserfolg positiv beeinflussen und die Rückkehr in das angestammte berufliche und soziale Umfeld beschleunigen.

Fortschritte bei der medizinischen Behandlung und Medikation werden unbestrittenermassen dazu führen, dass vermehrt ambulante rehabilitative Massnahmen eingesetzt werden. Es wird sich zeigen, ob diese Verschiebung von stationär zu ambulant gelingt. Es kann auch sein, dass die bereits heute zu beobachtende, zunehmende Komplexität und Polymorbidität der anteilsmässig immer grösseren Zahl an hochbetagten Patientinnen und Patienten den Effekt neutralisiert.

Ist die Rehabilitationsbranche auf diese Entwicklungen vorbereitet?

Traditionell liegen Rehabilitationskliniken eher in ländlichen und voralpinen Regionen, fernab von Ballungszentren, also nicht in der Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes der Patientinnen und Patienten. Dies aber wäre eine wesentliche Voraussetzung für die Förderung von «ambulant vor stationär».

Die Rehabilitation rückt zeitlich zunehmend näher an die Akutbehandlung. Die Frage des Leistungserbringungsstandortes wird deshalb immer häufiger gestellt. Die räumliche Distanz zu den Zentrumsspitälern bedeutet je länger je mehr einen erheblichen Nachteil, da die häufig abgelegenen Rehabilitationskliniken vermehrt diagnostische und medizinische Vorhalteleistungen[1] bereitstellen müssen.

Wohnorts- und zentrumsnahe Rehabilitationskliniken profitieren von integrierten Versorgungsmodellen, von kurzen Interventionszeiten und dem Verzicht auf risikoreiche Verlegungstransporte. Die Vorhalteleistungen entfallen respektive werden von Akutspitälern qualitativ hochstehend und kostenoptimiert übernommen.

Fazit: Die Rehabilitationsbranche wird, unabhängig von der Regel «ambulant vor stationär», nicht um einen Strukturwandel herumkommen.

Therapieerfolg durch intensives Zusammenwirken

Die für eine wohnorts- respektive arbeitsplatznahe, ambulante Rehabilitation notwendige Infrastruktur ist erst in Ansätzen vorhanden. Therapiezentren, die nur eine Disziplin wie beispielsweise eine klassische Physiotherapie anbieten, können den ambulanten Rehabilitationsbedarf nicht abdecken. Ausschlaggebend für den Therapieerfolg ist das intensive Zusammenwirken verschiedener Disziplinen und Berufe.

Gemeint sind hiermit nicht nur die einzelnen Therapiebereiche wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Neuropsychologie, sondern darüber hinaus auch die Kooperation mit den behandelnden Ärzten, mit beruflichen Integrationsspezialisten oder dem Sozialdienst. Alle Spezialisten sind im Idealfall unter einem Dach vereint.

Mit der Etablierung zusätzlicher, ambulanter Rehabilitationskapazitäten sind jedoch noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt, um den ambulanten Sektor zu fördern. Es mangelt an kostendeckenden Tarifen zur Abgeltung der therapeutischen Leistungen. Die Therapeuten arbeiten heute für Stundenansätze, welche jeder Handwerker als Dumpingpreise bezeichnen würde.

Entscheidend für die Entwicklung: Standort und Finanzierung

Kommen wir zurück auf die einleitend formulierte Vision «morgens in der Rehabilitation, nachmittags am Arbeitsplatz». Um diese Vision realisieren zu können, braucht es grundlegende Veränderungen sowohl im (infra)strukturellen als auch im finanziellen Bereich: Zum einen brauchen wir eine Verlagerung der Rehabilitationskliniken in Richtung Ballungszentren, also in die Nähe der Wohn- und Arbeitsorte. Zum anderen sind neue gesamtschweizerische Tarifstrukturen und Finanzierungsmodelle dringend notwendig, um eine Kostendeckung zu erreichen, welche eine Verschiebung in den ambulanten Bereich fördert.

Die Rehabilitationskliniken sind bereit, diesen neuen Weg einzuschlagen. Aufgabe der Kostenträger und Planungsbehörden ist es nun, den Weg zu ebnen.

 

[1] Da die Behandlungen medizinisch zunehmend komplexer werden, müssen Rehabilitationskliniken bei Behandlungen immer häufiger auf diagnostisches und medizinisches Spezialwissen zurückgreifen können. Spitalnahe Institutionen können diesen Bedarf an zusätzlichem Wissen und Infrastruktur in Kooperation mit einem Akutspital abdecken. Abgelegene Rehabilitationskliniken müssen dieses Wissen dennoch bereitstellen. Die Folge sind Vorhalteleistungen, welche wegen den insgesamt dann doch kleinen Fallzahlen teuer und oft auch nicht in der geforderten Qualität verfügbar sind.

Jan Sobhani

Geschäftsführer RehaClinic Zürich AG / Region Glarnerland

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